Startseite/Home der DMLBonn e.V. Aus dem Archiv, von der Pressestelle der DMLBonn e.V. Lessing, der Islam und die ToleranzVortrag auf dem Studientag: "Toleranz - ein brauchbarer Begriff im interreligioesen Dialog?" in der Evangelischen Akademie Arnoldshain am 28. September 2004von Silvia HorschLessing und der Islam - ein aktuelles ThemaDass der Islam in der Toleranzdebatte des 18. Jahrhunderts ueberhaupt eine Rolle gespielt hat, ist vor allem Lessings Verdienst: Vor Lessing habe man, so schreibt MOSES MENDELSSOHN an "Heiden, Juden, Mahometaner und Anhaenger der natuerlichen Religion [...] entweder gar nicht oder hoechstens in der Absicht gedacht, um die Gruende fuer die Toleranz problematischer zu machen."1 Die Toleranzthematik gehoert zu den meistbehandelten Aspekten des Lessingschen Werks, seine Auseinandersetzung mit dem Islam blieb allerdings weitgehend unberuecksichtigt. Dies hat sich spaetestens im Januar 2004 geaendert, als der damalige Bundespraesident Johannes Rau anlaesslich des Geburtstages Lessings ueber das Verhaeltnis von Staat und Religion gesprochen hat - eine Frage, die im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung ueber die Zulaessigkeit von religioesen Zeichen an staatlichen Schulen aufgeworfen wurde, und sich am muslimischen Kopftuch entzuendet hatte. Am gleichen Ort sprach wenige Wochen spaeter Jutta Limbach, ehemalige Praesidenten des Bundesverfassungsgerichts, in der Reihe "Aufklaerung im 21. Jahrhundert" ueber das "Gebot der Toleranz". Auch in dieser Rede ging es um den Umgang mit der muslimischen Minderheit in Deutschland. Die Erinnerung an Lessing verbindet sich auf diese Weise mit hoechst aktuellen gesellschaftlichen und politischen Fragen: Welche Bedeutung hat Toleranz in einer pluralistischen Gesellschaft? Wird die Auseinandersetzung mit der muslimischen Minderheit zur Festschreibung von als verbindlich verstandenen "abendlaendischen" Werten genutzt oder als Chance gesehen, den Anspruch einer sich als offen und pluralistisch verstehenden Gesellschaft in die Realitaet umzusetzen? Vor diesem Hintergrund ist die Auseinandersetzung mit Lessings Verhaeltnis zum Islam auch ein hilfreicher Beitrag zu einer aktuellen gesellschaftlichen Debatte. Dabei ist die Absicht natuerlich nicht, Lessing in einer Weise zu "aktualisieren", welche die tiefgreifenden politischen und gesellschaftlichen Veraenderungen zwischen dem 18. und dem 21. Jahrhundert ignoriert. Das Islambild eines Aufklaerers wie Lessing ist fuer uns jedoch auch deshalb von Bedeutung, weil der Begriff "Aufklaerung" haeufig benutzt wird, um einen Gegensatz zwischen "dem Westen" und "dem Islam" zu betonen. Dabei ist die Begriffsverwendung oft sehr unscharf: Selten wird reflektiert, dass "Aufklaerung" eine Epoche der europaeischen Geistesgeschichte bezeichnet, deren spezifische historische Bedingungen und Folgen sich nicht einfach auf die Verhaeltnisse anderer Kulturen uebertragen lassen. Viel haeufiger wird der Begriff in einem allgemeinen Sinne verwendet: "Aufgeklaert" zu sein bedeutet dann, Irrationalitaet und Unvernunft hinter sich gelassen zu haben, sich von religioes bedingten Zwaengen befreit und Fanatismus ueberwunden zu haben. Man trifft haeufig auf die Meinung, die Europaeer haetten diese Entwicklung bereits hinter sich, waehrend andere Kulturen sie noch vor sich haben - und zwar insbesondere der Islam. In dieser Sichtweise erscheint "Aufklaerung" als zentrales Merkmal "des Westens", das Verhaftetsein in religioesen, ergo "unaufgeklaerten", irrationalen und fanatischen Denkmustern als zentrales Merkmal "des Islam". Diese Einschaetzung ist nicht neu, hat sich aber besonders nach den Anschlaegen vom 11. September 2001 verschaerft. Als ein Beispiel fuer die zahlreichen Aeusserungen dieser Art sei hier ein Zitat Karl-Heinz Bohrer angefuehrt, dem Herausgeber des "Merkur. Zeitschrift fuer europaeisches Denken": "Der Islam ist eine unaufgeklaetr gebliebene, fruehmittelalterliche Religion, die periodisch aggressiv ausbricht (Hervorhebungen S.H.)" (Dezember 2001) Hier sind Mechanismen wirksam, die EDWARD SAID im Umgang mit dem Islam als "Orientalismus" analysiert hat: Ueber Jahrhunderte wurde der Orient und insbesondere der islamische Orient als Gegenrealitaet zur westlichen Kultur wahrgenommen und beschrieben. Die Untersuchung von Lessings Auseinandersetzung mit dem Islam ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung, weil er sich gegen ein Islambild gewandt hat, dass vor allem durch eine spiegelbildliche Konstruktion als negatives Gegenbild zur eigenen Gesellschaft (oder zu den Idealen der eigenen Gesellschaft) entsteht. Lessing hat sich wie kein anderer deutscher Autor des 18. Jahrhunderts sowohl kulturgeschichtlich als auch theologisch auf den Islam eingelassen: Er wuerdigte die kulturellen und wissenschaftlichen Leistungen der Muslime, nahm in seinen theologiekritischen Schriften auf den Islam Bezug und verarbeitete in seinem Drama Nathan der Weise (1779) Inhalte der islamischen Geschichte und Theologie. Ihm ging es um eine genaue Kenntnis, ein gerechtes Urteil und die Beseitigung von Vorurteilen, die eine echte Auseinandersetzung mit dem Islam als Religion und Kultur verhindern. Lessing und das Islambild der AufklaerungUm die Bedeutung von Lessings Auseinandersetzung mit dem Islam einschaetzen zu koennen, muss man zunaechst einen Blick auf das Islambild der Aufklaerung werfen. Seit den Kreuzzuegen zeichnete sich insbesondere die theologische Auseinandersetzung mit dem Islam durch konfrontative Paradigmen aus: Im Islam wurde entweder eine Haeresie, Heidentum oder Teufelswerk gesehen. Es ist dieses negative Bild, das sich im kollektiven Gedaechtnis verankerte und in Teilen bis heute weiterwirkt, waehrend die Epoche der friedlichen Koexistenz von Christen und Muslimen in Spanien in den Hintergrund rueckte. Die Aufklaerung beguenstigte die Auseinandersetzung mit fremden Religionen und Kulturen und es entstand zum erstenmal ein echtes wissenschaftliches Interesse am Islam. Dennoch kann man nicht von einer grossen Aenderung in der allgemeinen Meinung sprechen. ANNEMARIE SCHIMMEL spricht in ihrer Einschaetzung vorsichtig von einem "Wandel in der Haltung einer gewissen Gruppe von Gelehrten".2 Noch kritischer beurteilt EDWARD SAID die Entwicklung: Die saekularisierende Tendenz der Aufklaerung habe die alten religioesen Muster nicht einfach abgeschafft, vielmehr wurden sie "rekonstruiert, wieder angewendet; in dem saekularen Rahmen neu verteilt."3 Kontinuitaeten bestehen vor allem in der Sicht auf den Islam als das Fremde. Dem Mittelalter galt der Islam als Prototyp des Fremden und des Feindes, indem er als Haeresie, Heidentum oder Teufelswerk verstanden wurde. Vor dem Hintergrund des veraenderten Menschenbildes der Aufklaerung, das die Vernunftorientierung des Menschen in den Vordergrund rueckte, machte das Bild auch des Fremden bestimmte Veraenderungen durch. Tatsaechlich bildete sich in der Aufklaerung eine neue Kritik an den "Anderen" heraus, "deren zentrales Thema das der vermeintlich mangelnden Vernunft ist".4 Diese Sicht auf den Islam begegnet uns auch, wenn wir die Quellen betrachten, aus denen sich Lessing ueber den Islam informiert hat. Lessing hat so gut wie alles gelesen, was damals an Literatur ueber den Islam greifbar war. Er konnte natuerlich kein Arabisch oder Tuerkisch, deswegen handelte es sich vor allem um orientalistische Literatur. Dabei ist er sehr unterschiedlichen Einstellungen begegnet. Er kannte z.B.: - Zwei Buecher von der Tuerckischen oder Mohammedanischen Religion von ADRIAN RELAND (1676-1718). Das Buch erschien 1705 und wurde 1717 ins Deutsche uebersetzt. Zur Erlaeuterung des islamischen Glaubens wird eine muslimische Selbstdarstellung herangezogen, und in einem zweiten Teil werden eine ganze Reihe von Vorurteilen ueber den Islam korrigiert. - Die Koranuebersetzung (1734) von GEORGE SALE, einem englischer Anwalt - die erste einigermassen verlaessliche Uebersetzung in eine moderne Sprache. Dieser Uebersetzung ist ein langes Vorwort vorangestellt (Preliminary Discourse), in dem sich Sale auch auf muslimische Quellen stuetzt. Diese Gelehrten waren darum bemueht, viele Vorurteile gegen den Islam zu widerlegen und sich sachlich mit ihm auseinander zu setzen. Am Ende war aber bei beiden das Ziel, den Islam besser zu kennen, um ihn besser widerlegen zu koennen. Bei Sale findet man z.B. Hinweise darauf, wie die Muslime am besten zu missionieren seien. Lessing hat noch viel mehr gelesen, was hier nicht alles aufgefuehrt werden kann (u.a. Werke von POCOCK, D'HERBELOT, OCKLEY, GAGNIER, REISKE, die bekannten Namen der damaligen Orientalistik). Ich moechte aber noch auf ein Werk eingehen, das zur Zeit Lessings weit verbreitet und ihm auch bekannt war. Das Buch wurde bereits 1697 von HUMPHREY PRIDAUX, einem englischen Geistlichen, geschrieben und traegt den Titel: The true nature of imposture fully displayed in the Life of Mahomet. Zu deutsch: "Die wahre Natur des Betruges, vollstaendig dargestellt (am Beispiel) des Lebens von Muhammad". Der Titel des Werks gibt bereits die Stossrichtung an: Der Islam wird im gesamten Werk schlichtweg als "der Betrug" (the Imposture) bezeichnet und als eine Strafe Gottes fuer die Christen angesehen. Muhammad ist natuerlich kein Prophet, sondern ein gewissenloser Machtmensch und Luestling gewesen; die angeblichen Offenbarungen in Wahrheit epileptische Anfaelle; der Islam eine Haeresie usw. Im Grunde also nichts anderes, als die seit dem Mittelalter kanonisierten Vorwuerfe. Dieses Werk wurde nun auch von Aufklaerern zur Information ueber das Leben des Propheten herangezogen: Der Philosoph PIERRE BAYLE empfiehlt es z.B. in einem Artikel ueber den Propheten Muhammad in seinem einflussreichen Historischen und kritischen Woerterbuch (Dictionnaire Critique). In seinem Artikel "Mahomet" uebernimmt er die Wertungen Prideauxs unhinterfragt und verweist zu weiteren Information ueber den Propheten auf dessen Buch. Der Artikel zeigt somit, dass es um die Aufklaerung ueber den Islam in der Aufklaerung nicht so gut bestellt war, wie man vielleicht erwartet haette. Es gab auch einige Autoren, die den Islam als eine besonders vernuenftige Religion ansahen. Eine direkte Antwort auf Prideaux, Mahomet No Impostor, or a Defence of Mahomet, wurde anonym veroeffentlicht und als Brief eines muslimischen Autors getarnt. HENRY BOULAINVILLIERS (1658-1722) La vie de Mahomet erschien erst 1730 posthum und wurde 1768 ins Deutsche uebersetzt. Das Werk wurde scharf angegriffen, da Muhammad als ein goettliches Werkzeug gezeigt wird, mit dem die Erkenntnis der Einheit Gottes ausgebreitet werden sollte, und der Islam als eine Religion, deren Lehren mit der Vernunft in Einklang stehen. Ein weiteres interessantes Beispiel ist HENRY STUBBE (gest. 1676), ein englischer Arzt, dessen Schrift An Account of the rise and progress of Mahometanism erst 1911 erschien. Auch er beschreibt die Lehren des Islam als besonders vernuenftig und uebereinstimmend mit dem Naturrecht. Der Umstand, dass alle diese Schriften entweder posthum oder anonym erschienen, macht bereits deutlich, dass diese positive Sicht des Islam nicht gesellschaftsfaehig war - was vor allem auf ihre christentumskritische Tendenz zurueckzufuehren ist. Es gibt auch keine Hinweise darauf, dass Lessing diese Schriften kannte. Viel vertrauter war er mit einer anderen Sicht, in der Islam als Ausdruck des Fanatismus verstanden wurde. Islam als FanatismusAls 21-jaehriger erhaelt Lessing den Auftrag, einige Schriften von VOLTAIRE ins Deutsche zu uebersetzen (Kleinere Historische Schriften 1752). Darin enthalten ist der kurze Text Von dem Korane und Mahomed, der deutlich zeigt, dass Voltaire im Islam keineswegs eine vernuenftige oder natuerliche Religion sieht. Muhammad sei ein "erhabener und verwegener Marktschreyer" der Koran ein "Mischmasch, ohne Verbindung, ohne Ordnung, und ohne Kunst" und die Araber ein raeuberisches Volk. Mit Vernunft hat der Islam fuer Voltaire nichts zu tun, stattdessen viel mit "Raserey" und "Enthusiasterey". Was er von Muhammad und dem Koran haelt, macht er in einem Brief an Friedrich den Grossen deutlich: "[...] dass er [Muhammad] sich damit bruestet, in den Himmel entrueckt worden zu sein und dort einen Teil jenes unverdaulichen Buches empfangen zu haben, das bei jeder Seite den gesunden Menschenverstand erbeben laesst, dass er, um diesem Werke Respekt zu verschaffen, sein Vaterland mit Feuer und Eisen ueberzieht, (...) das ist nun mit Sicherheit etwas, was kein Mensch entschuldigen kann, es sei denn, er ist als Tuerke auf die Welt gekommen, es sei denn, der Aberglaube hat ihm jedes natuerliche Licht erstickt."5 Der Islam wird so zum Paradigma des Fanatismus, der fuer Voltaire allen Religionen innewohnt und mit zentralen Kampfvokabeln der Aufklaerung assoziiert: "Aberglaube", "Schwaermerei", "Fanatismus" und "Enthusiasmus". "Schwaermerei" (franz. "Enthousiasme") bezeichnet einen Zustand des religioesen Wahns, kann aber auch generell eine krankhaft gesteigerte Einbildungskraft meinen. Voltaire zielte mit dem Begriff "Fanatismus", der fuer ihn gleichbedeutend ist mit "Aberglauben", vor allem auf den unaufgeklaerten Obskurantismus der katholischen Kirche. Leibniz galt die Berufung auf die unmittelbare Evidenz des Gefuehls ohne Vermittlung der Vernunft als "fanatisch" - Fanatismus stellt also einen Mangel an Vernunft dar. Durch die Anwendung dieser Begriffe auf den Islam wird dieser als eine Art von Anti-Aufklaerung charakterisiert. Es stellt sich die Frage, wie es zu so unterschiedlichen Wertungen des Islam kommen kann - Religion der Vernunft einerseits, Aberglaube und Fanatismus andererseits. Die Ausbildung zweier einander entgegenstehender Sichtweisen des Islam haengt moeglicherweise mit zwei Tendenzen der Aufklaerung zusammen, die sich ebenfalls zu widersprechen scheinen. Auf der einen Seite gab es die Bereitschaft, Elemente der Verwandtschaft im "Anderen" zu entdecken, eine Tendenz des 18. Jahrhunderts, die SAID als "sympathetische Identifikation" bezeichnet hat. Dazu gehoerte auch die Tendenz, die Vernunftbegabung als eine Eigenschaft aller Menschen anzusehen. Diese Bereitschaft hatte eine oeffnung gegenueber anderen Religionen und Kulturen zur Folge. Andererseits zeigt sich die Tendenz, Menschen und Voelker zu klassifizieren und ihnen spezifische Eigenschaften zuzuweisen - also eine essentialistische Sichtweise. IMMANUEL KANT (1724-1804) fuehrt etwa die Unterschiede zwischen den Voelkern auf verschiedene Ursachen wie Klima, Luftverhaeltnisse und Ernaehrung zurueck (aehnlich Herder). Die aeusserlichen Merkmale verweisen aber auch auf psychische Dispositionen und charakterliche Eigenschaften, und damit wird eine Hierarchisierung verbunden: Die "Race der Weissen" steht an der hoechsten Stelle, weit vor den "gelben Indianer[n]" und noch viel weiter vor den "Neger[n]".6 Diese Hierarchisierung kommt auch in der Darstellung der Muslime zum Tragen, wobei hier zu der anderen "Race" noch - wie bei den Juden - der andere Glaube hinzukommt. Muslime finden sich vor allem im Orient, in heissen Laendern also, deren Klima nicht ohne Auswirkung auf ihren (National-)Charakter bleibt: Was die Araber betrifft, bescheinigt man ihnen passend zum Wuestenklima eine "erhitzte Einbildungskraft",7 eine Eigenschaft, die natuerlich auch auf ihre Religion abfaerbt, die als Aberglaube und Fanatismus abqualifiziert wird. So sieht Kant im "Nationalcharakter" der Araber eine Affinitaet zum "Wunderbaren" (mit Araber sind unausgesprochen ausschliesslich Muslime gemeint, christliche und juedische Araber werden ausgeblendet), und auch ihm dient der Islam als ein Beispiel fuer Fanatismus: Im Falle des Islam werde deutlich, wohin der Fanatismus fuehren koenne: "Die menschliche Natur kennt kein gefaehrlicheres Blendwerk [als den Fanatismus/die Schwaermerei]. Wenn der Ausbruch davon neu ist [...] erduldet bisweilen sogar der Staat Verzuckungen. Die Schwaermerei fuehret den Begeisterten auf das Aeusserste, den Mahomet auf den Fuerstenthron, und den Johann von Leyden aufs Blutgerueste."8 Das Bild des Islam als Schwaermerei und Fanatismus spielt natuerlich eine wichtige Rolle, sich der eigenen Rationalitaet und geistigen Entwicklung zu versichern, indem Aberglaube und Irrationalitaet den "Anderen" zugeschrieben wird. Der Islam als vernuenftige ReligionDie Sicht auf den Islam als Fanatismus war Lessing durch Voltaire gut bekannt. Er selbst hat sich jedoch ganz anders geaeussert. Als erstes finden wir einige Aeusserungen ueber die Muslime in einer Zeitung, wo er seine eigene Uebersetzung von Marignys Geschichte der Araber zur Zeit der Kalifen (1752/53) ankuendigt: Er verweist auf die herausragenden historischen und kulturellen Leistungen der arabischen Muslime: "Seit dem Verfalle des roemischen Reiches, verdient wohl die Geschichte keines einzigen Volkes mit mehrerm Recht bekannt zu sein, als die Geschichte der arabischen Muselmaenner; sowohl in Betrachtung der grossen Leute welche unter ihnen aufgestanden sind, (...), als in Ansehung der Kuenste und Wissenschaften, welche ganze Jahrhunderte hindurch den schoensten Fortgang unter einem Volke genossen, welches uns unsre Vorurteile gemeiniglich als ein barbarisches Volk betrachten lassen." Lessing hebt weiterhin hervor, dass die islamische Geschichte genauso wichtig und lehrreich sei wie die griechische oder roemische Geschichte. Interessanterweise spricht er im Zusammenhang mit den Muslimen und ihren Leistungen in den Wissenschaften von "Aufklaerung": "Der Anfang einer so wichtigen Epoche fuer den menschlichen Verstand, der sich ploetzlich unter ungesitteten kriegerischen Voelkern aufzuklaeren anfing, so dass sie in kurzem ebenso viele Gelehrte als Helden aufzuweisen hatte, wird nicht anders als mit vielem Vergnuegen gelesen werden koennen." Hier wird bereits deutlich, dass Lessing bei seinem Lesepublikum eine Menge Vorurteile vorausgesetzt hat, gegen die er anschreiben wollte. Ihm war bewusst, dass die Muslime als "Barbaren" angesehen wurde, und wollte durch die Information ueber ihre Geschichte zeigen, dass dieses Vorurteil nicht berechtigt ist. 1754 aeussert sich Lessing zum erstenmal in einer eigenen Schrift zum Islam, der Rettung des Hieronymus Cardanus. Cardanus, ein Universalgelehrter der Renaissance, hatte 1550 ein Buch veroeffentlicht, in dem er einen Goetzendiener, einen Juden, einen Christen und einen Muslim ueber die wahre Religion streiten laesst. Am Ende siegt natuerlich der Christ - und das gefaellt Lessing ueberhaupt nicht. Er wirft Cardanus vor, er sei mit den anderen Religionen nicht aufrichtig verfahren, und zwar insbesondere nicht mit dem Islam. Cardanus haette sich erst einmal richtig mit dem Islam auseinandersetzen muessen, bevor er diesen Religionsvergleich anstellt. Und dann stellt Lessing seinen eigenen Religionsvergleich an und laesst einen Muslim auftreten, der den Islam folgendermassen darstellt: "Wirf einen Blick auf sein [Muhammads] Gesetz! Was findest Du darinne, das nicht mit der allerstrengsten Vernunft uebereinkomme? Wir glauben an einen einzigen Gott: wir glauben eine zukuenftige Strafe und Belohnung, deren eine uns, nach Massgebung unserer Taten gewiss treffen wird. Dieses glauben wir, oder vielmehr, [...] davon sind wir ueberzeugt, und sonst von nichts." Ueber das Christentum sagt der Lessing'sche Muslim: "Das, was [...] der Christ seine Religion nennet, ist ein Wirrwarr von Saetzen, die eine gesunde Vernunft nie fuer die ihrigen erkennen wird." Lessing dreht den Spiess damit um: Der Islam ist auf einmal die vernuenftige Religion und das Christentum eine Lehre, die vom Menschen verlangt, unvernuenftige Dinge zu glauben. Nachdem der Muslim mit seiner Rede fertig ist, kommt der Christ gar nicht mehr zu Wort, und die Frage nach der wahren Religion ist auf einmal voellig offen. Und das ist genau das, was Lessing erreichen wollte. Er stellt den Islam als eine besonders vernuenftige Religion dar, um die christliche Wahrheitsgewissheit zu erschuettern. Zu beobachten ist dabei Folgendes: In Lessings Darstellung des Islam erfolgt eine inhaltliche Angleichung an die "natuerliche Religion" des Deismus. Mit dem Konstrukt der natuerlichen Religion wurde versucht, die christliche Lehre an das Denkmodell des Rationalismus anzupassen, womit eine Loesung vom Offenbarungsgedanken verbunden war. Die Deisten glaubten an Gott, aber nicht an eine spezielle Offenbarung, sondern entwickelten "natuerliche" Religion. Diese komme ohne Offenbarung aus, da der Mensch allein aufgrund seiner Vernunft in der Lage sei, Gott zu erkennen und moralisch gut zu handeln. Die Erkenntnis Gottes und das moralisch gute Handeln sind die beiden zentralen Punkte der natuerlichen Religion, und diese sind es auch, die Lessings Muslim nennt, um den Islam zu beschreiben: "Wir glauben an einen einzigen Gott: wir glauben eine zukuenftige Strafe und Belohnung, deren eine uns, nach Massgebung unserer Taten gewiss treffen wird." Mit seiner Darstellung des Islams als einer natuerlichen Religion verfolgt Lessing eine bestimmte Absicht: Die Folgen der Lehren des Deismus waren Bibel- und Kirchenkritik und diesen kritischen Impetus nimmt Lessing auf, wenn er den Islam als eine natuerliche Religion praesentiert, die auf Vernunftlehren statt auf Offenbarungen beruht. Er betont bestimmte Elemente, wie die Vernunftgemaessheit der islamischen Lehren, um Kritik am christlichen Wunderglauben zu ueben. An diesem Verfahren wird Lessings doppelte Zielsetzung deutlich: Er will zum Einen Zweifel an der Wahrheitsgewissheit des Christentums wecken und zum Nachdenken anregen. Zum Anderen greift er die allgemeine, seit Jahrhunderten verbreitete negative Bewertung des Islam an. Das Verfahren, das er anwendet, kann man als "strategische Aufwertung" (Kuschel) bezeichnen: Durch eine bewusste und kalkulierte Auswahl werden positiv bewertete Aspekte in den Vordergrund gerueckt, um ein gerechteres Urteil zu ermoeglichen. Der Aspekt der Gerechtigkeit ist auch ein wesentlicher Bestandteil von Lessings Toleranzbegriff. Die Rolle des Islam in der ToleranzdebatteIn der Aufklaerung erfolgte der Durchbruch von einer rein pragmatischen zu einer inhaltlichen Begruendung der Toleranz. Dieser Durchbruch beschraenkte sich allerdings auf einen eher kleinen Kreis von Philosophen und Gelehrten beschraenkte. Was man im Allgemeinen unter "Toleranz" verstand, macht der Eintrag in Zedlers Universal-Lexicon von 1745 deutlich: Toleranz sei "[...] nichts anders, als dass man aeusserlich im gemeinen Leben friedlich mit einander umzugehen sucht, einander die Pflichten des Rechts der Natur nicht versaget, und auf den Cantzeln und in denen Schrifften die vorgegebene irrige Meynung mit aller Sanffmuth widerleget, und also einander mit Vernunfft und Bescheidenheit eines bessern zu belehren bemuehet ist. [...]" Toleranz dient hier letztlich dem Zweck der Mission. Dass dieses Toleranzverstaendnis von dem Lessings weit entfernt ist, liegt auf der Hand. Lessing geht es nicht um das einfache "Dulden", d.h. um rein taktisches Verhalten, sondern um eine erkenntnistheoretische Grundlage der Toleranzforderung. Entscheidend fuer Lessing ist die Ueberzeugung, dass die absolute Wahrheit fuer den Menschen nicht fassbar ist. Nur eine Annaeherung an die Wahrheit ist moeglich. Die Toleranzforderung wird so erkenntnistheoretisch begruendet durch die Differenz zwischen dem endlichem Wissen der Menschen und der unerreichbaren absoluten Wahrheit. Da an die absolute Wahrheit nur eine Annaeherung moeglich ist, kommt es fuer Lessing darauf an, dass der Mensch sich fortwaehrend um eine tiefergehende Erkenntnis bemueht. Wer sich bereits im Besitz der Wahrheit waehnt, bringt sich selbst um die Moeglichkeit einer weiteren Annaeherung. Dieser Aspekt von Lessings Wahrheitsverstaendnis kommt in der beruehmten, vielzitierten Stelle aus der Duplik (1778) zum Ausdruck: "Nicht die Wahrheit, in deren Besitz irgend ein Mensch ist, oder zu sein vermeinet, sondern die aufrichtige Muehe, die er angewandt hat, hinter die Wahrheit zu kommen, macht den Wert des Menschen. (...) Wenn Gott in seiner Rechten alle Wahrheit, und in seiner Linken den einzigen immer regen Trieb nach Wahrheit, obschon mit dem Zusatze, mich immer und ewig zu irren, verschlossen hielte, und spraeche zu mir: waehle! Ich fiele ihm mit Demut in seine Linke, und sagte: Vater gieb! die reine Wahrheit ist ja doch nur fuer dich allein!" Fuer Lessing befindet sich der Andersglaeubige nicht notwendig im Irrtum, er ist zu tolerieren wegen des Wahrheitspotentials oder der Wahrheitstendenz, die ihm zukommt. Die abweichende Meinung wird deshalb von Lessing nicht einfach nur geduldet, sondern die ernsthafte Auseinandersetzung mit ihr wird als notwendig fuer die eigenen Bemuehungen um Erkenntnis angesehen. Eine solche Haltung ist ohne den Respekt und die Anerkennung des Anderen nicht denkbar. Lessing zeigt hierin Uebereinstimmungen mit Goethe und dessen bekannter Maxime: "Toleranz sollte eigentlich nur eine voruebergehende Gesinnung sein: sie muss zur Anerkennung fuehren, Dulden heisst beleidigen." (Goethe versteht hier Toleranz nach dem woertlichen Sinn: "tolerare" ist eigentlich ein negativer Begriff, der das "Dulden" oder "Ueber-sich-ergehen-lassen" bezeichnet. Wenn im Folgenden vom Toleranzverstaendnis Lessings die Rede ist, ist natuerlich etwas anderes gemeint: eine Haltung der Anerkennung und des Respekts.) Der Islam spielt fuer Lessings Einsatz fuer Toleranz eine wichtige Rolle. Dies wurde schon deutlich in den Ankuendigungen der Geschichte der Araber, wo er gegen das Vorurteil angeht, die Muslime seien Barbaren, und in der Rettung der Hier. Cardanus, wo er gegen die verbreitete Meinung, der Islam sei irrational, die Vernunftgemaessheit des Islam hervorhebt. Ein weiteres wichtiges Beispiel ist eine Schrift, mit der er die Veroeffentlichung der Fragmente eines Ungenannten, der bibel- und offenbarungskritischen Fragmente des HERMANN SAMUEL REIMARUS einleitet. Sie heisst Von Adam Neusern. Einige authentische Nachrichten (1774) und er setzt sich darin fuer die Rehabilitierung eines Unitariers ein, der im 16. Jahrhundert zum Islam konvertiert war. Adam Neuser wurde aufgrund seines Uebertritts und der Flucht nach Konstantinopel als Verraeter der Christenheit und als ein hoechst lasterhafter und unmoralischer Mensch gebrandmarkt. Lessing hingegen macht deutlich, dass ein solcher Schritt fuer einen Unitarier theologisch gesehen durchaus konsequent sein kann. Lessing hat sich auch fuer die islamische Philosophie interessiert und sich von ihr anregen lassen: Er las den philosophischen Roman Haiy Ibn Yaqzan von ABU BAKR IBN TUFAIL aus dem 12. Jahrhundert, der unter dem Titel Philosophus Autodidactus in Europa bekannt wurde. Parallelen zu diesem Roman finden sich in einer zu seinen Lebzeiten unveroeffentlichten Schrift Ueber die Entstehung der geoffenbarten Religion (1763). Die produktive Rezeption von islamischer Theologie und Geschichte zeigt sich schliesslich auch im Nathan. Nathan der Weise und die RingparabelWir kommen damit zu dem Drama Lessings, in dem er sich wie in keinem anderen Werk fuer Toleranz ausgesprochen hat: Nathan der Weise (1779). Das Stueck spielt im Jerusalem des 12. Jahrhundert, zur Zeit der Kreuzzuege und der Herrschaft des Sultan Saladin, der zugleich eine der wichtigsten Figuren des Stuecks ist. Saladin wird als ein toleranter und aufgeklaerter Herrscher dargestellt. Nathan ist ein juedischer Kaufmann, der vor vielen Jahren seine gesamte Familie durch einem antisemitischen Pogrom durch Christen verloren hat. Er ist jedoch mit Gottes Hilfe in der Lage seinen Hass auf die Christen zu ueberwinden und adoptiert ein christliches Maedchen, Recha. Das Stueck beginnt damit, dass Nathan von einer Reise zurueckkehrt und erfaehrt, dass ein Tempelherr (ein Angehoeriger eines Kreuzfahrer-Ordens) seine Adoptiv-Tochter Recha aus einem Feuer, das in seinem Haus ausgebrochen ist, gerettet hat. Der Tempelherr selbst ist kurz zuvor von Saladin begnadigt worden. Er war ein Kriegsgefangener und sollte eigentlich wie die anderen gefangenen Tempelherren hingerichtet werden, aber Saladin hat sich durch sein Gesicht an seinen Bruder Assad erinnert gefuehlt, der vor vielen Jahren nach Europa gegangen war, und bereits verstorben ist. Der Tempelherr verliebt sich in Recha, und haelt bei Nathan um ihre Hand an. Aber Nathan hat einen gewissen Verdacht und moechte erst wissen, wer der Tempelherr genau ist. Und tatsaechlich stellt sich am Ende nach vielen Verwicklungen heraus, das Recha und der Tempelherr Geschwister sind, dass sie beide Kinder von Assad, dem Bruder Saladins, und damit Nichte und Neffe von Saladin sind. Es gibt eine grosse Wiedererkennungs-Szene und am Ende steht auf der Buehne eine einzige grosse Familie, in der die Unterschiede der Religion keine Rolle spielen. Die bekannte letzte Regieanweisung lautet: "Unter stummer Wiederholung allseitiger Umarmungen faellt der Vorhang." Nathan ist derjenige, der durch seine selbstlose Tat, naemlich die Adoption eines verwaisten christlichen Maedchens, obwohl kurz zuvor Christen seine ganze Familie ermordet haben, dieses gute Ende ermoeglicht. Aber auch Saladin ist am guten Ende beteiligt, weil er aufgrund seiner Erinnerung an seinen Bruder den christlichen Tempelherren begnadigt hat, der dann seinerseits in einer weiteren guten Tat ein juedisches Maedchen aus dem Feuer rettete. Das Stueck will damit zeigen, dass die Menschen eine einzige Schicksals-Gemeinschaft sind, dass sie aufeinander angewiesen sind und dass sie Feindschaft und Krieg unter den Religionen ueberwinden muessen. An einer zentralen Stelle des Stuecks erzaehlt Nathan die bekannte Ringparabel: Saladin leidet an notorischen Geldproblemen und hat gehoert, dass Nathan sehr reich ist. Er wuerde gerne finanzielle Unterstuetzung von ihm bekommen, traut sich aber nicht, ihn direkt zu fragen. Er versucht deshalb, Nathan eine Falle zu stellen, und stellt ihm die Frage, welche Religion die beste sei. Nathan geht dieser Fangfrage aus dem Weg, indem er folgende Geschichte erzaehlt: Ein Mann besass einen Ring, der die besondere Kraft hatte, "seinen Traeger vor Gott und den Menschen angenehm zu machen." Dieser Ring wurde seit Generationen immer an den Sohn weitergegeben, den der Vater am liebsten hatte. Dieser Mann hat nun aber drei Soehne, die er alle gleich liebt und damit ein Problem. Er laesst deshalb zwei Imitationen anfertigen und gibt jedem seiner Soehne einen Ring. Nach dem Tod des Vaters bricht natuerlich ein Streit aus, welcher Ring/welche Religion die echte ist. Dieser Streit bringt die drei Brueder vor einen Richter. Der stellt zunaechst fest, dass er den echten Ring, also die wahre Religion auch nicht rausfinden kann. Und dann gibt er den drei Bruedern folgenden Rat: Jeder solle daran glauben, dass der eigene Ring der echte sei. Und sie sollen um die Wette streben, den eigenen Ring als den echten zu erweisen - und zwar durch gute Taten und gutes Verhalten. Er sagt:
"Es strebe jeder um die Wette, Dieser Rat des Richters enthaelt gleich zwei Anspielungen auf den Koran: Ergebenheit in GottEs gibt eine zentrale Formulierung im Drama, die nicht nur im Rat des Richters auftaucht, sondern auch noch an anderen Stellen. Dies ist die Formulierung "Ergebenheit in Gott". Man hat fuer diese Formel juedische, christliche und andere Bezuege gefunden, aber es hat exakt 217 Jahre gebraucht, bis man entdeckt hat, dass "Ergebenheit in Gott" nichts anderes ist, als die woertliche Uebersetzung des arabischen Wortes islâm. (Erst 1996 hat FRIEDRICH NIEWOEHNER in einem Zeitungsartikel in der FAZ darauf aufmerksam gemacht.) Das ist um so erstaunlicher, als nur in der muslimischen Tradition die Formulierung wirklich einen woertlichen Beleg hat. Lessing war die Bedeutung des Wortes "Islam" nachweislich bekannt: In seinen Notizen findet man die Aufzeichnung: "Islam ein Arabisches Wort, welches die Ueberlassung seiner in den Willen Gottes bedeutet." Bei Sale konnte Lessing im Vorwort zu seiner Koranuebersetzung lesen: "Und dieser Religion leget er [Muhammad] den Namen Islam bey, welches Wort Resignation, Unterwerfung oder Ergebung in den Willen, Dienst und Befehl Gottes bedeutet, und als [...] der eigentliche Name der Mohammedanischen Religion gebraucht wird." Es ist also davon auszugehen, dass Lessing mit der Verwendung dieses Wortes bewusst einen Bezug zum Islam herstellen wollte. Auch fuer die Empfehlung, dass man anstatt ueber die Wahrheit zu streiten lieber gut handeln sollte, sowie fuer den Aspekt des Wettbewerbs im guten Handeln gibt es eine Parallele im Koran. Es hat auch gar nicht mal so lange gedauert, bis man sie entdeckt hat: Bereits 1850 findet man im Stuttgarter Morgenblatt fuer gebildete Leser den kurzen Text Der Grundgedanke von Lessing's Nathan schon im Koran. Damit der (anonyme) Autor nicht in den Verdacht geraet, sich fuer den Koran einsetzen zu wollen, beschreibt er erst mal ausfuehrlich, was fuer ein fuerchterliches Buch das doch sei, aber dann kommt es: "Unter den wenigen Stellen [...] glaenzen am meisten in der fuenften Sure Vers 52 ff., wo es, nach achtungsvoller Besprechung des mosaischen Gesetzes und des christlichen Evangeliums im Munde Gottes, dann des Propheten also heisst": Es folgt der Vers 48 aus Sura Al-Maida (5): "Fuer jeden von euch haben Wir Richtlinien und eine Lebensweise bestimmt. Und wenn Gott gewollt haette, haette Er euch zu einer einzigen Gemeinde gemacht. Er wollte euch aber in alledem, was Er euch gegeben hat, auf die Probe stellen. Darum wetteifert um die gottgefaellig guten Taten. Zu Gott werdet ihr allesamt zurueckkehren; und dann wird Er euch das kundtun, worueber ihr uneins waret." Und weiter heisst es im Stuttgarter Morgenblatt: "Wen erinnert dies nicht an Lessings Nathan, wenigstens an dessen Grundgedanken, den Richterspruch am Schlusse der Ringparabel?" Die Vorlage fuer die Ringparabel hat Lessing der Literatur entnehmen koennen, sie war bei Boccaccio zu finden. Der Rat des Richters ist jedoch seine eigene Hinzufuegung und hier hat er sich offensichtlich auch vom Koran inspirieren lassen: Im Koran heisst es: "Wenn Gott gewollt haette, haette Er euch zu einer einzigen Gemeinde gemacht." Die Pluralitaet der Religionen ist Gottes Wille, sowie die Vielzahl der Ringe der Wille des Vaters war - wer hat dann das Recht oder eine Begruendung dafuer einer anderen Religion ihre Existenzberechtigung abzusprechen? Wichtig ist auch der Aspekt der Pruefung. Im Koran heisst es: "Er wollte euch aber in alledem, was Er euch gegeben hat, auf die Probe stellen." Auch fuer die drei Brueder stellt die Existenz der drei Ringe eine Probe dar: Werden sie sich bekaempfen oder sind sie in der Lage weiterhin als Brueder miteinander umzugehen? Werden sie der Liebe, die ihnen ihr Vater entgegen gebracht hat, gerecht? Weiter heisst es: "Darum wetteifert um die gottgefaellig guten Taten" - und im Rat des Richters: "Es strebe jeder um die Wette, / Die Kraft des Steins in seinem Ring' an Tag / Zu legen." Ein Wettstreit im Guten ist der Weg, die Wahrheit der eigenen Religion zu erweisen. Dafuer gibt es auch eine biblische Parallele: In Matthaeus 7:20 heisst es ueber die Unterscheidung von wahren und falschen Propheten: "Also werdet ihr sie an ihren Fruechten erkennen." Dass sich der wahre Glaube im guten Verhalten erweisen muss, ist auch ein wichtiger Grundsatz im Islam: So lautet ein bekannter Ausspruch des Propheten: "Ad-Dînu Mu'âmala" - "Religion ist Verhalten." Schliesslich die Verlagerung der Antwort auf die Frage nach der wahren Religion ins Jenseits: "Zu Gott werdet ihr allesamt zurueckkehren; und dann wird Er euch das kundtun, worueber ihr uneins waret" - "So lad' ich ueber tausend tausend Jahre, / Sie wiederum vor diesen Stuhl. Da wird / Ein weisrer Mann auf diesem Stuhle sitzen, / Als ich; und sprechen." Die Ringparabel propagiert damit weder eine Indifferenz gegenueber allen Religionen, noch ist Toleranz das Ergebnis einer Vergleichgueltigung der Wahrheitsfrage. An die Brueder ergeht naemlich nicht die Aufforderung, den eigenen Wahrheitsanspruch fallen zu lassen - im Gegenteil. Der Richter fordert dazu auf, an der eigenen Ueberzeugung festzuhalten: "So glaube jeder seinen Ring den echten" III,7. Die Aufforderung besteht darin, den fruchtlosen Streit um die Wahrheit aufzugeben und sich stattdessen durch praktisches Handeln zu bewaehren. Im Nathan wird mit seinen vielfaeltigen Bezuegen auf die juedische und islamische Theologie und Geschichte nicht nur zur Toleranz aufgefordert, vielmehr wird Toleranz im Sinne von Respekt und Anerkennung bereits auf der inhaltlichen Eben verwirklicht. Lessing hat aus allen drei monotheistischen Religionen Elemente und Traditionen in seinem Stueck verarbeitet - und zwar besonders aus der juedischen und muslimischen Tradition. (Das Christentum ist bekanntlich die Religion, die durch die Figur des Patriarchen am schlechtesten wegkommt). Nathan der Weise im 21 JahrhundertWas kann uns ein Stueck wie der Nathan heute noch sagen? Die Botschaft des Nathan - die Zusammengehoerigkeit aller Menschen ueber die Grenzen der Religionen hinweg und die Moeglichkeit einer friedlichen Verstaendigung - ist schon oefter fuer tot erklaert worden. Vor dem Hintergrund der Erfahrung zweier Weltkriege, des Holocausts, des Buergerkriegs auf dem Balkan, des Nahostkonflikts und zuletzt des Terrors islamistischer Extremisten und dem daraufhin erklaerten "Kampf gegen den Terrorismus", der bereits zwei Laender mit Krieg ueberzogen hat, scheint sich die Einsicht aufzudraengen, dass Lessing mit seiner Toleranzbotschaft zuviel verlangt: Ein Regisseur der zahlreichen Nathan-Inszenierung nach den Anschlaegen vom 11. September 2001 drueckte dies so aus: "Eine sehr grosse Toleranz, eine nicht lebbare Toleranz aber auch. Das ist die Tragik!" Ein anderes Problem fuer die Nathan-Rezeption ist, dass im Laufe der Zeit Lessings Toleranzbegriff durch eine allgemeine Vereinnahmung trivialisiert wurde: Der Islamwissenschaftler NAVID KERMANI schreibt dazu: "Lessings Toleranzbegriff ist zunaechst vom buergerlichen Normalbewusstsein, spaeter auch von den Kirchen so restlos aufgesogen worden, dass er jeden herrschaftskritischen Impuls verloren hat."9 Im Verlauf dieser Entwicklung wurde der Toleranzbegriff entleert und banalisiert. Ein Ausdruck ist die Inszenierung des Nathan im Berliner Ensemble im Jahr 2002. Lessing hatte zu seiner Zeit mit dem Nathan vor allem der eigenen, christlich-abendlaendischen Kultur in kritischer Absicht den Spiegel vorgehalten. Die "Anderen", Juden und Muslime, sind in diesem Stueck aufgeklaert und tolerant - und damit das positive Gegenbild zur eigenen Kultur. In der Inszenierung des Berliner Ensembles treten die Muslime hingegen als orientalische Maerchenfiguren mit albernen Zuegen auf: Saladin "stakt als schnoeseliger Angeber herum, geschoent durch lange Bartspitzen" und "taenzelt als bleiche Karikatur eines Machthabers in blauem Schuhwerk daher", so die Kritiker der Zeitungen. Auf dem Buehnenportal sind Symbole fuer alle drei Religionen angebracht: fuer das Christentum das Kreuz, fuer das Judentum der Davidstern - und fuer den Islam: das Passagierflugzeug. Waehrend auf der Buehne die Muslime als orientalische Maerchenfiguren auftreten, suggeriert das Buehnenbild einen gewalttaetigen Islam. Zwei grundlegende Elemente des alten Islambildes treten damit in neuem Gewand in Erscheinung: Irrationalitaet und Gewalttaetigkeit. Noch etwas anderes faellt an dieser Inszenierung auf: In Lessings Drama ist der tolerante und aufgeklaerte Nathan ein orientalischer Jude, in der Inszenierung des Regisseurs Peymann erscheint er als Europaeer und tritt im westlichen Designer-Anzug auf. Aus Lessings kritischer Auseinandersetzung mit der eigenen Kultur ist damit die Affirmation ihrer geistigen und moralischen Ueberlegenheit geworden. Diese Umkehr des Lessingschen Intention ist schon befremdlich genug, noch befremdlicher ist allerdings, das sie trotz aller Kritik, die es an der Inszenierung gab, kaum jemanden aufgefallen ist. Die Zeitungen heben die Darstellung des Nathan lobend hervor. ("Glaenzend allein Peter Fitz in der Titelrolle (ein sympathisch gewitzter Intellektueller ...)" lobt etwa Die Welt.) Kermani hat hingegen die Problematik dieser Nathan-Darstellung deutlich gemacht: "Waehrend Lessing gegen die Intoleranz des Westens angeschrieben hat, hat Peymanns Inszenierung die Toleranz verwestlicht. Ihr Traeger ist keiner von denen, wie bei Lessing, sondern einer von uns. Alle Figuren in der Inszenierung werden durch ihre Kostueme in den exotischen Orient versetzt, nur einer ist wie der Okzidentale Claus Peymann gekleidet: Nathan der Weise. Man koennte ihn auch Nathan den Weissen nennen, immerhin waere dann der Rassismus benannt, welcher der Inszenierung unbewusst zugrunde liegt." Ist diese Verkennung der Lessingschen Intention (die nicht nur in der Inszenierung des Berliner Ensembles zu Tage tritt) zugleich Symptom fuer eine allgemeine Aufweichung des Toleranzbegriffs? Lessings Toleranzverstaendnis wurde beschrieben als eine Haltung des Respekts und der Anerkennung: keine blosse Duldung anderer Ueberzeugungen, sondern eine ernsthafte und konstruktive Auseinandersetzung mit ihnen. Erfuellen heutige Toleranzmodelle diesen Anspruch oder fallen sie dahinter zurueck? An dieser Stelle bietet sich ein Vergleich von Lessings Toleranzbegriff mit einem Modell an, das gegenwaertig auf relativ breite Zustimmung zu stossen scheint. Der Frankfurter Philosoph RAINER FORST plaediert unter den verschiedenen Toleranz-Modellen fuer eine "Respekt-Konzeption", die "Toleranz als Tugend der Gerechtigkeit und als Forderung der Vernunft"10 begruendet. Toleranz beruht in diesem Modell auf einer "moralisch begruendeten Form der wechselseitigen Achtung der sich tolerierenden Individuen bzw. Gruppen". Die Anerkennung des anderen in seiner Anders- und Eigenheit wird als moralische Verpflichtung verstanden. Mit dem Begriff des Respekts wird somit die Haltung der Anerkennung, die bereits Lessing und nach ihm Goethe gefordert hat, als Grundlage der Toleranz bestimmt. Ist die zentrale Bedeutung des Respekts ein Anzeichen dafuer, dass Lessings Toleranzbegriff heute allgemeine Anerkennung findet? Auch in einer Rede vom Ende des Jahres 2001 favorisiert der damalige Kulturstaatsminister Julian Nida-Ruemelin eine Toleranzkonzeption, die sich auf Respekt begruendet: Die politisch orientierten Ausfuehrungen Nida-Ruemelins deuten jedoch bereits an, dass ein pragmatisches Interesse an der Toleranz im Vordergrund steht: Ziel ist der Erhalt offenen Zivilgesellschaft, die auf die Kooperation der verschiedenen Gruppen angewiesen ist. Zwar sei ein "gewisses Mass an Empathie und interkultureller Verstaendigung" wuenschenswert, letztlich gehe es jedoch darum, sich auf diejenigen Regeln zu verstaendigen, die fuer alle Beteiligten akzeptabel sind und aus diesem Grund ein friedliches und produktives Zusammenleben ermoeglichen. JUERGEN HABERMAS hat in seiner Rede noch staerker den praktischen Nutzen des Toleranzgebotes betont: "Funktional betrachtet, soll religioese Toleranz die gesellschaftliche Destruktivitaet eines unversoehnlich fortbestehenden Dissenses auffangen. Das soziale Band, welches Glaeubige mit Andersglaeubigen und Unglaeubigen als Mitglieder derselben saekularen Gesellschaft verbindet, soll nicht reissen."11 Hier hat die Haltung der Toleranz das Ziel, den gesellschaftlichen Frieden zu sichern. Vielleicht ist das auch alles, was man realistischerweise verlangen kann. Lessing ist jedenfalls weiter gegangen: Der Aspekt der Friedenssicherung spielt zwar auch bei Lessing eine Rolle (so verhindert die Toleranzforderung im Rat des Richters auch, dass sich die Brueder gegenseitig die Koepfe einschlagen), dennoch geht sein Verstaendnis von Toleranz darueber hinaus. Toleranz bedeutet bei Lessing nicht nur das Zulassen, sondern das Sich-Einlassen auf andere Ueberzeugungen. Nach diesem Verstaendnis ist Toleranz die Grundlage fuer eine produktive Auseinandersetzung mit anderen Ideen und Konzepten: Die Einsicht in andere Perspektiven ermoeglicht einen Erkenntniszuwachs und so kann die Beschaeftigung mit anderen Religionen und Kulturen zu einer Bereicherung werden. Mit der Vorstellung, dass dies auch fuer den Islam zutrifft, stand Lessing schon in der Aufklaerung isoliert da. Heute wird der Islam sowenig als Bereicherung gesehen wie je. Die Anwesenheit von mehreren Millionen Muslimen in Europa wird eher als Problem verstanden, und der Islam stellt offensichtlich zur Zeit die groesste Herausforderung fuer die europaeische Toleranz dar. In Deutschland kommt es bei Fragen der Religionsausuebung von Muslimen, wie dem Schaechten, dem Moscheebau oder dem Tragen des Kopftuches regelmaessig zu Kontroversen. In diesen buendeln sich nicht selten alle Aengste, die mit der Anwesenheit einer als "fremd" bis "gefaehrlich" angesehenen Minderheit verbunden sind. In Frankreich wie in Deutschland zeigt sich im Zusammenhang des aktuellen "Kopftuchstreits", dass sich die gesellschaftliche und politische Praxis in weiten Teilen nicht an einer als "Respekt" verstandenen Toleranz orientiert. Diese haette naemlich (nach Forst) das Kopftuch im Unterricht zu tolerieren (bzw. zu respektieren). Haeufig wird nicht einmal die Frage gestellt, ob die Mehrheitsgesellschaft Kopftuchtraegerinnen gegenueber tolerant sein sollte. Stattdessen beschaeftigt man sich mit der Frage, ob nicht viel mehr das Kopftuch ein Ausdruck der Intoleranz sei. (Eine Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung im Februar 2004 wurde z.B. mit dem Titel angekuendigt: "Keine Frage der Toleranz." Die fuer die Veranstalter entscheidende Frage wird im Untertitel gestellt: "Welches Menschenbild steht hinter dem Kopftuch?" - als ob hinter jedem Kopftuch ein bestimmtes Menschenbild stecken wuerde). In dieser Argumentation macht man sich die Paradoxie zunutze, die jedes Toleranz-Modell herausfordert: Zur Toleranz gehoeren Grenzen. Diese Grenzen bedeuten Intoleranz denen gegenueber, die jenseits dieser Grenzen stehen. Die Verweigerung der Toleranz wird dann vielfach mit der einfachen Losung begruendet: "Keine Toleranz mit den Intoleranten!" In der Notwendigkeit der Grenzen liegt jedoch zugleich eine Gefahr des Missbrauchs, denn wer bestimmt die Grenzen und auf welcher Grundlage? Auf diese Weise kann auch die eigene Intoleranz als Toleranz verkauft werden, indem man behauptet, sich einer Gefaehrdung der Toleranz zu erwehren. (Dies macht deutlich, dass der Begriff der Toleranz weiterer normativer Prinzipien, wie dem der Gerechtigkeit bedarf, um inhaltlich gefuellt zu werden. Forst nennt deshalb Toleranz einen "normativ abhaengigen Begriff".) In letzter Zeit scheint sich vor dem Hintergrund der aktuellen weltpolitischen Verhaeltnissen die nicht nur im "Kopftuchstreit" zu beobachtende Kulturkampf-Rhetorik zu verschaerfen. Der vorgeblich religioes motivierte Terrorismus, die Eskalation des Nahost-Konflikts, die neuerliche Rede von "Kreuzzuegen" - all dies sind Phaenomene, die den von SAMUEL HUNTINGTON geweissagten "Kampf der Kulturen" scheinbar Realitaet werden lassen und die Tendenz verstaerken, von Kulturen als Bloecken zu denken, die auf fest umrissene und unveraenderliche Identitaeten aufbauen. "Der Islam" und "der Westen" stehen sich in dieser Weltsicht als geschlossene Systeme unvereinbar gegenueber. Und auf beiden Seiten arbeiten die Vertreter dieser Weltsicht sorgfaeltig an der Pflege der jeweiligen Feindbilder. Die Vorstellung von eindimensionalen und eindeutig abgrenzbaren Identitaeten sollte nicht erst angesichts der Entwicklungen der Globalisierung und der Migration als imaginaeres Konstrukt widerlegt sein. Kulturen unterlagen schon immer historischen Wandlungsprozessen und entwickelten sich im gegenseitigen Austausch. Anscheinend ist jedoch die "Rueckbesinnung" auf das "Eigene" und die Abgrenzung vom "Anderen" in der Moderne zum Beduerfnis geworden, um sich der eigenen, unsicher gewordenen Identitaet neu zu versichern. Diese fundamentalistische Konstruktion von Identitaet ist in islamistischen Stroemungen, die den Islam von "fremden" Einfluessen reinigen wollen, genauso zu beobachten wie in Teilen der westlichen Gesellschaften, wo man meint, eine "Leitkultur" vor dem Zerfall bewahren zu muessen. Lessing hat den Aufbau eines solches Gegenbildes zur eigenen Gesellschaft zweifach unterlaufen: Durch die Charakterisierung des Islam als einer Religion der Vernunft und Toleranz einerseits und den Hinweis auf intolerante und irrationale Elemente der eigenen, christlich-abendlaendischen Kultur andererseits. Die Aktualitaet von Lessings Auseinandersetzung mit dem Islam liegt deshalb vor allem in zwei Punkten: 1. in der Bereitschaft, grundlegende Werte nicht nur in der eigenen, sondern auch in anderen Kulturen und Religionen zu entdecken und sie damit als universell zu begreifen. 2. in der Bereitschaft zur Kulturkritik In dieser Haltung ist Lessing ein Vorbild - fuer Muslime wie Nichtmuslime. Zu den Voraussetzung fuer einen gleichberechtigten Dialog gehoert, sich von essentialistischen Betrachtungsweisen zu loesen. Gegenueberstellung wie rationaler Westen versus irrationaler/fanatischer Islam oder auf muslimischer Seite moralischer Islam versus unmoralischer Westen muessen aufgeloest werden durch die Einsicht in die Komplexitaet und die Verschiedenheit innerhalb jeder Kultur und Religion selbst. Ausserdem gilt es, ueber die Unterschiede von Religion und Kultur hinweg, die gemeinsamen Werte zu entdecken, und sich nicht in erster Linie als Angehoerige von verschiedenen Religion, sondern als Menschen zu begegnen. Oder wie Nathan es ausdrueckt: "Sind Christ und Jude eher Christ und Jude, / Als Mensch?" (II,5).
Der Vortrag beruht in weiten Teilen auf meiner Magisterarbeit zum gleichen Thema, die unter dem Titel "Rationalitaet und Toleranz. Lessings Auseinandersetzung mit dem Islam" veroeffentlicht wird. (Ergon-Verlag, im Druck, ISBN: 3-89913-376-5)
Silvia Horsch, Arabistin und Germanistin, lebt in Berlin und arbeitet als freie Referentin im interreligioesen und interkulturellen Dialog. Sie konvertierte 1996 zum Islam. Im Herbst 2004 ist ihr Buch erschienen: "Rationalitaet und Toleranz. Lessings Auseinandersetzung mit dem Islam." Ihre lesenswerte Homepage nennt sich: al-sakina - Information zum Islam
Literatur und Quellenangaben:Lessings Quellen zum Islam:
BAYLE, PIERRE: Historisches und Critisches Woerterbuch. [Dictionnaire historique et critique (1697) dt.] Nach der neuesten Auflage von 1740 ins Deutsche uebersetzt von J. Chr. Gottsched. Leipzig 1741-1744.
Weitere Autoren:JEAN GAGNIER: gab 1723 eine Lebensbeschreibung Muhammads nach der Darstellung des mittelalterlichen Geschichtsschreibers Abu-l Feda in lateinisch und arabisch heraus. Literatur:
FORST, RAINER: Toleranz, Gerechtigkeit und Vernunft. In: Toleranz. Hrsg. v. Rainer Forst, Frankfurt/M. 2000, S. 119-143.
Fussnoten1 MENDELSSOHN: Gesammelte Schriften, VIII, S. 3. 2 SCHIMMEL: Der islamische Orient, S. 21. 3 SAID: Orientalismus, S. 139. 4 Diese Frage stellt HENTGES in ihrer Untersuchung: Schattenseiten der Aufklaerung, S. 7. 5 Voltaire - Friedrich der Grosse: Aus dem Briefwechsel, S. 219. 6 KANT: Von den verschiedenen Racen der Menschen (1775), zitiert nach HENTGES: Schattenseiten der Aufklaerung, S. 217 7 MARIGNY: Geschichte der Araber, S. 12 und KANT: Von den Nationalcharaktern, Werke Bd 1, S. 879. 8 KANT: Versuch ueber die Krankheiten des Kopfes, Werke, Bd 1, S. 894. 9 KERMANI: Toleranz. S. 35. 10 FORST: Toleranz, Gerechtigkeit und Vernunft, S. 127ff. (Hervorhebung R.F.) 11 HABERMAS: Wann muessen wir tolerant sein? (o.S.) Deutsche Muslim-Liga Bonn e.V. - 1425 / 2004 |