Aus der Reihe von Radioansprachen von Taufiq A. Mempel im DeutschlandRadio
Berlin
Deutschland-Radio Berlin, Sendung vom 12.02.2006
As-Salamu ’aleikum wa Rahmatullahi wa Barakatuh
Friede sei mit Ihnen, der Segen und die Barmherzigkeit Gottes
Ich kann mich noch genau erinnern, wie wir als Rockmusikfans in den 70er Jahren
jeweils am Montag oder Freitag die Sendung von Marianne von Sänger im Radio
hörten, die Musikwünsche Ihrer Hörer aus Ost und West erfüllte.
Frau Sänger, London, Bushhouse, WC2 wie die Adresse hieß - sendete aus London,
und zwar immer in mono. Aber das machte uns nicht viel aus. Denn dieser
spezielle Klang gehörte zum besonderen Flair dieser gelungenen Mischung aus
konspirativem Genuß und gelungener Öffentlichkeitsarbeit – in diesem Fall für
den Westen.
Hier waren Ost und West bereits Jahrzehnte vor der Wiedervereinigung vereint –
im Äther sozusagen.
Später dann, als ich in den Westen zog, war ich schon ziemlich gespannt, wie
die Menschen dort so sein mögen. Die gemeinsame Sprache war zwar Deutsch, aber
sprachen wir wirklich eine Sprache? Waren denn die Prägungen über die
Jahrzehnte der Trennung nicht so unterschiedlich, daß es eigentlich keine
Brücken geben konnte?
Auf der Arbeit konnte ich dann die fremden Deutschen gut studieren. Was sich
mir tief einprägte, war dieselbe Liebe zur Arbeit wie bei den Ostdeutschen, die
Begeisterung, Lösungen zu finden für immer neue Aufgaben und Probleme. Und auch
der Anruf des Chef jeden Abend kurz vor Feierabend bei seiner Frau, wenn er
Bescheid gab: „Schatz, ich bin in fünf Minuten hier raus. Kannst schon mal
langsam warm machen!“
Wie, fragte ich mich, konnte ich mir auch nur vorstellen, daß die Menschen
dort, wo die Ideologie des eigenen Systems nicht hinreichte, die Menschen
irgendwie anders sein konnten als bei uns zu Hause? Bis ich eines Tages den
Koranvers las „Allahs – Gottes ist der Osten und der Westen“ und an einer
anderen Stelle „wo immer Ihr Euch hinwendet, ist das Angesicht Gottes“.
Er ist es, unter dessen Schutz der Osten und der Westen, der Norden wie der
Süden stehen.
Auch heute will ich mir nicht einreden lassen, daß die Menschen in
Lateinamerika, in Südafrika, in Persien oder Australien in ihrem Wesenskern
irgendwie anders geartet sein könnten als wir – die wir uns gern als Maßstab
nehmen, an dem sich die Welt messen lassen soll.
Er hat uns in verschiedenen Stämmen und Rassen erschaffen, damit wir einander
kennenlernen mögen. Und der Edelste unter uns sei der, der am
gottesfürchtigsten ist.
Taufiq Mempel
Deutsche Muslim-Liga Bonn e.V./ Berlin
(Deutschland-Radio Berlin, Sendung vom 12.02.2006)
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