Almati 
							Ein Reisebericht aus Kasachstan
						
						von Taufiq Mempel 
							 
							Die Stadt brummt, die Stadt dröhnt, die Stadt rollt. Junge Menschen auf Straßen 
							und Plätzen. Und ob die Welt rund, eckig oder flach ist, interessiert hier 
							niemanden. Denn die Welt - sie ist ein Basar! Auf jedem freien Quadratmeter - 
							besonders im Viertel um den Gemüsemarkt herum - wird gekauft, gefeilscht und 
							verkauft, dass es die reine Freude ist. So findet man denn auch alles. Von der 
							goldenen Gebetskette (!) bis zum neuesten hochrädrigen Toyota, für den die 
							schlechten Straßenverhältnisse im Lande keine Schwierigkeit darstellen. 
							 
							  Der jungen 
							Gesellschaft hier ist eine Dynamik inne, die einem Besucher aus einem 
							Niedriggeburtenland fremd geworden ist. Es ist die Jugend, die den Aufschwung 
							trägt und die die Kaufkraft und den Optimismus besitzt, nach vorn zu schauen. 
							Wenn man den Durchschnittskasachen nach Religion oder Islam befragt, erhält man 
							mitunter recht distanzierte Meldungen. Immer wieder das Argument: "Ich bete 
							nicht, bin nicht so radikal oder extremistisch".
							 
							Auf die Frage, ob denn Prophet Muhammad "radikal" gewesen sei, da er regelmäßig 
							sein Gebet verrichtete, erhalte ich ein nachdenkliches und überlegendes 
							Schweigen als Antwort. 
							 
							Muslimas mit Kopftuch sind in Almati eher die Ausnahme. 23 Moscheen stehen in 
							der Stadt. Die große Stadtmoschee wurde von 1991 bis 1997 gebaut und ist dem 
							Besucher eine Augenweide. Sie bietet 800 Betenden Platz. Besonders der für 
							islamische Hochzeiten eingerichtete Raum neben dem Gebetsraum ist sehenswert 
							und verrät den praktischen Sinn der Verantwortlichen dort.
							 
							 
							 
							 
							Unsere nächste Station auf der stadtauswärts führenden Raimek Straße führt uns 
							zu einem islamischen Denkmal, wie uns unser Stadtführer sagte. Aber schon der 
							demütige Gang unseres kasachischen Fahrers und seine Waschung am Brunnen macht 
							deutlich, dass hier mehr zu finden sein muss. Wir befinden uns hier am Maqam 
							des kasachischen Volkshelden Schech Raimbek Batir. Weiße Tücher hängen an der 
							eisernen Tür seines Grabes und der Thronvers, abgebildet in arabisch und 
							kasachisch, wird von jedem rezitiert, der das Grab besucht. Dabei legt man die 
							rechte Hand rechts neben den arabischen Text. Gutverdienende haben Grabsteine 
							aufgestellt, mit Segenswünschen auf den Schech in Arabisch, die mit dem uns 
							bekannten qaddasa Allahu Sirrah enden. (Möge Allah sein Geheimnis heiligen). 
							 
							Der Vorsteher des Maqams sagte, dass Raimbek Batir (der Krieger Raimbek) zu den 
							Auliya Allahs (Gottesfreunden) gehöre, konnte aber keine Angaben zu einem 
							geistigen Orden (Tariqah) machen. Beim Gehen wird die 112. Sure laut rezitiert. 
							Wir sehen noch, wie Dutzende weißgekleidete Pilger das Maqam ansteuern. Sie 
							sind mit Bussen aus dem fernen Turkmenistan angereist. 
							   
							 
							Jetzt wollen wir die Synagoge von Almati besuchen. Unser Begleiter kennt den 
							Ort genau, wird aber nervös, da er nicht weiß, wie die Wache am Eingang des 
							Geländes auf unseren Besuch reagieren wird. "So welche wie Euch habe ich auch 
							noch nicht kennengelernt, man lernt halt immer was Neues dazu", sagte er. Ein 
							Anruf - und wir stehen vor dem Rabbi Kohen, Rabbiner der orthodoxen jüdischen 
							Gemeinde von Almati.
							 
							 
							Ich sehe, dass im unteren Raum Frauen die Thora lesen und eine Lehrerin, 
							vielleicht eine Rabbinerin, den Text erläutert. Eine besondere Stimmung, eine 
							Mischung aus Ruhe und Konzentration, ist von den Lesenden zu vernehmen. Der 
							Rabbi interessiert sich für unsere interreligiösen Aktivitäten in Deutschland. 
							Ich berichte ihm von URI und Muslim-Liga und dass der Islam in Deutschland 
							keine anerkannte Religion ist. Rabbi Kohen lobt ausdrücklich die aller drei 
							Jahre stattfindende interreligiöse Konferenz, die unter der Schirmherrschaft 
							des kasachischen Präsidenten Naserbajew steht. Er sagte, dass Deklarationen 
							verabschiedet werden, die auch die Saudis unterschreiben würden, die jeden 
							Terror verurteilen und die Unterschiedlichkeit der Religionen anerkennen. 
							 
							Ich sehe mich im Büro des Rabbiners um, sehe, wie die Gebetsriemen neben dem 
							Laptop liegen, wie sich Menschen auf das Gebet vorbereiten, und mir wird wieder 
							klar, dass es keine Trennung zwischen Religion und Leben geben kann. Eines ist 
							mit dem anderen untrennbar verbunden. Seht Euch das Büro eines Rabbiners an, 
							und schon werdet Ihr die Muslime und ihre Forderungen und Interessen besser 
							verstehen... 
							 
							21. August 2007
						 
						
						  
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